Wattenmeer als neuronales Netz
IP/EP-Nr.: 83.30/4319
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Kommentare des Archivators
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Die Authentizität der
folgenden Aufzeichnung wird von einem Großteil der
wissenschaftlichen Gemeinschaft gelinde gesagt nicht ganz
ernst genommen. Der Proband, ein 30-jähriger
Experimentalphysiker names Markus Prett, mit fester
Anstellung am FURN, erhielt lediglich ein Placebo des
antarktischen Staubes. Kurioserweise zeigte er dennoch
viele Merkmale von Versuchspersonen die unter dem
Einfluss des echten Staubes standen. |
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Zur Hintergrund:
Der antarktische Staub als psychoaktive
Wissensvermittlung |
Insbesondere beteuerte er
nach Ablauf des Versuches, sich nicht im Geringsten die
Herkunft seiner Erzählungen erklären zu können. Die
Perfektion mit der der Proband allerdings die
tranceartigen Gesichtsausdrücke, die Anzeichen genuiner
psychischer Erschöpfung zum Ende des Versuches hin und
sogar die Anpassung von Muskeltonus und Herzschlag an das
Tempo der Erzählung beherrschte gab natürlich all jenen
Stimmen Auftrieb die in der ganzen Angelegenheit des
antarktischen Staubes einen genialen aber
nichtsdestotrotz bösartigen Bluff sahen. |
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<= Antarktischer Staub ein Bluff? |
Die Aufgabe unserer
Organisation ist es aber nicht zu bewerten, sondern zu
archivieren und bestenfalls zu klassifizieren. Es folgt
also hier die original Niederschrift des Physikers Markus
Prett: |
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<= Archivieren statt bewerten |
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SETI findet Gaia
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<= Beginn der originalen Aufzeichnung |
Eigentlich
- ja eigentlich - hätte der Funke Jahrzehnte früher
überspringen können. Stanislaw Lem hatte in seinem
prophetischen Werk "Solaris" schon längst
Ozeane als lebende Wesen beschrieben. Stapledon hatte
Gleiches getan mit Sonnen, Flammen und Gasnebeln. Und
Plutarch, Diogenes Laertios, Lovelock, Bloom Sadegh,
Stock - das waren nur ein paar Autoren die schon früh
mit dem Gedanken spielten, dass die Erde selbst irgendwie
belebt sei. |
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<= Propheten Kosmische Gasnebel als lebende
Wesen
Antike Griechen über die
Weltseele
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SETI -
Search for Extraterrestrial Intelligence? Unfug! It
should have been named "Search for Intraterrestrial
Intelligence" Humans don`t really deserve the title
:-) |
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<= Seltsame Sprachsprünge des Mediums |
Ein
Industriemagnat vom Schlage eines Howard Hughes war es
endlich der uns spatzenhaftem Menschengewürm die
zerlauchten Augen öffnete. Mit der Konstruktion und dem
Bau skurriler aber dennoch funktionstüchtiger
U-Boot-Typen hatte sich dieser Epigone Hughes - sein Name
war Klaus Stürzdebecher - einen Reichtum geschaffen der
sich in Zahlen nicht bemessen ließ. |
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<= Anspielung auf den Seeräuber Klaus
Störtebeker aus dem 14. Jahrhundert? |
Stürzdebecher
war Idealist. Er glaubte an SITI und gab Millionen,
Milliarden, Billionen dafür aus. Am Ende sollte er Recht
behalten: Wir sind bloße Läuse im Fell eines Otter, wir
sind nicht mehr als Escherichia Coli im Gedärm von
Sokrates (oder von Caligula?). |
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<= Überintelligenzen? |
Stürzdebecher
bewegte sich auf das Ziel seiner Bemühungen zu wie ein
Wackelpudding auf die Zielgerade eines 100-m-Laufes. |
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<= Lösungsverhalten |
Er begann damit, sich in die Euphorie und Panik
des globalen Klimawandels hinein zu begeben. Er spendete
Unsummen für irgendwelche "Notprogramme" die
eigentlich (wieder dieses Wort) andere hätten berappen
müssen. |
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<= Klimawandel: einige historische Meldungen |
Stürzdebecher
rief Stiftungen zur Erforschung des globalen
Klimageschehens ins Leben. Er initiierte Preisauschreiben
zu Themen wie der Homöostase des global-ozeanischen
Strömungskomplexes, des Einflusses verwitternder
Kohlenflöze auf den globalen CO2-Gehalt oder
die Möglichkeiten einer Albedo-Steuerung der beiden
Polkappen. |
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<= Forschung zum Klimwandel Albedo-Steuerung mit künstlichen Flechten als
Beitrag zur Klimakontrolle
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Dabei
hatte er Anderes im Sinn als die Milderung der
seelenlosen Wucht der globalen Klimakatastrophe. Dieses
Geschehen folgte ohnehin schon längst seinen eigenen
Gesetzmäßigkeiten die durch nichts zu beeinflussen
waren. |
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<= Eigengesetzlichkeit des Klimawandels |
Stürzdebecher
hatte nichts anderes im Sinn als "the contact"
- "prise de contact" - "Begegnung mit der
3. Art". Er hatte die Ahnung, dass die Ozeane der
Erde ein lebendes, denkendes, fühlendes Wesen seien. Und
er wollte mit ihm reden. Er hatte als Kind den
sowjetischen Film "Solaris" gesehen, alle Werke
Lems gelesen und verwegene Expeditionen in die Welt der
Drogen unternommen. Und: er nahm die Mystik seines
eigenen bewussten Erlebens sehr ernst. Nebenher
erwirtschaftete er mit seinem ingenieurmäßigen Genie
Milliarden. Billionen. |
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<= Suche nach fremden Intelligenzen Gentechnisch stimulierte Drogen für besserer
Lernfähigkeit?
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Stürzdebecher
stellte das Geld bereit, um mit Hilfe gigantischer
Solarkolletoren riesige Wärmestrahlen auf einzelne
Meeresregionen zu richten. Das sollte helfen, das Wetter
kurzfristig zu beeinflussen. Es war das Geld
Stürzdebechers, das ein dichtes Netz der Datenerhebung
über die Ozeane der Weltmeere sponn. Lokale
Wassertemperaturen, Salzdichten, Planktongehalte,
3D-Strömungsvektoren, Tidenhübe, Verdampfungsraten,
Walbestände, Sedimentationsraten, O16-Konzentrationen
im Neueis, Sprunggrenzen oder magnetische Missweisung: |
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<= Interessante Daten |
Für alles
gab es mit Hilfe Stürzdebecher`scher Gelder Sensoren,
Expeditionen, Satelliten, Archive, Institute,
Doktorarbeiten, Stipendien, Gutachten und so fort. |
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<= Ein großer Mäzen der Wissenschaft |
Und
Stürzdebecher hatte dafür gesorgt, dass alle
einlaufenden Daten bei ihm zusammenfanden. Mit allen
bürkoratischen Kniffen des Wissenschaftbetriebes
vertraut, mit den Pikanterien von Forschungsanträgen auf
per-Du und auf einer Ebene mit den Rafinessen der
Stiftungsgesetze, so war es Stürzdebecher gelungen, den
Zustand der Weltozeane zu jedem Zeitpunkt besser zu
erfassen als irgend ein anderer Mensch auf der Erde. In
einer von ihm finanzierten und persönlich eng betreuten
Forschungseinrichtung auf der Nordseeinsel Baltrum
führte Stürzdebecher eine Fülle von Daten zur
Auwertung mit modernster Computertechnologie zusammen. |
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<= Stürzdebecher hält Fäden in eigener
Hand |
In
sogenannten Holodecks - einer Weiterentwicklung von
Virtual Reality Caves, konnten Menschen auf wundersame
Weise in Simulationen, Interpretationen und Animationen
der Ozeane eintauchen. Auf ein Wort befand man sich
mittendrin in einem bewegten Strömungsmodell der
Nordsee. Der Golfstrom drückte sanft auf den
Oberkörper, die Wassermassen dieser mächtigen Strömung
dunkelgrün schimmernd. An den Füßen derweil nahm man
einen kaltbläulich aufquellenden Nebel wahr: arktische
Tiefenwässer. Auf Zuruf oder per Fingerzeig konnte der
Besucher eines Holodecks Salzgehalte als Klangkörper
oder Farbwolken im Raum darstellen lassen. Man konnte mit
wenigen Worten die Topografie des Meeresbodens in
beliebiger Überhöhung und in frei wählbaren
Maßstäben herbeizaubern. Man konnte all diese
virtuellen Objekte mit der Hand anfassen und
manipulieren. Ein riesiger Computer der
ZX81-0366TN-Klasse errechnete sofort, wie sich die
mittlere Wassertemperatur der Nordsee verändern würde,
wenn man die norwegischen Rinne mit Sand zuschütten
würde oder wie hoch die maximale
Strömungsgeschwindigkeit nahe Helogland wäre, wenn der
Meeresspiegel um zwei Meter ansteigt! |
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<= Holodecks auf Baltrum |
Wieviel
Leid und Unfug wären vermieden worden, hätte man
Stürzdebechers Expertise und Engagement zu Rate gezogen
bevor man mit den unglückseligen Abenteuern in Sachen
Wattmangrove
begann! |
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<= Wattmangrove |
Aber
bleiben wir beim Thema. Stürzdebecher interessierte sich
vor allem für das Geschehen an der deutschen
Nordseeküste. Die ständige Umlagerung der Sandbänke,
das züngelnde Hin und Her der Süsswasserergüsse von
Ems, Weser und Elbe, Algenblüten und Robbensterben, die
feinen Schwankungen der Salzgehalte und
Sedimentationsraten: all das betrachtete sich
Stürzdebecher immer wieder aufs Neue auf seinen
Holodecks auf Baltrum. Und irgendwann begann er mit
seinen Tänzen inmitten seiner virtuellen Nordseewelten.
Wie ein Derwisch warf er sich in einen 3D-Zeitraffer
großräumiger Strudel hinein, wie ein sibirischer
Schamane wiegte er seinen Oberkörper im beschleunigten
Wechselspiel der virtuellen Gezeiten hin und her. Und wie
ein australischer Aborigine begleitete er vertonte
Gezeitenströme auf einem Didgeridoo. |
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<= Mystik der Nordsee |
Dann kan
die Zeit als er sich über ein Brainnet
unmittelbar effektorisch-affektorisch mit dem
Computersystem koppelte. Es war die Zeit als er sich aus
dem aktiven Berufsleben zurückzog und sich in der Welt
der Wissenschaft versuchte. Er war zu jener Zeit der
reichste Mensch der Welt. |
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<= Kopplung Mensch-Ozean |
Er
studierte Ozeanographie, promovierte über
"Statistisch signifikante Korrelationen zwischen dem
lokalen Salzgehalt des Nordseewatts und der 2. Ableitung
der Änderungsrate der mittleren Fließgeschwindigkeit
ausgwählter Seegatts zwischen Borkum und Baltrum"
und er begann zu veröffentlichen, zunächst mit Titeln
wie: |
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<= Stürzdebecher als Wissenschaftler |
Stürzdebecher,
K.; Hans, Prof.: Modellierung und Simulation von
Sedimentationsraten durch diskret-elongierte Raumkörper.
In: Natural Reality 38/15, Seite 343-362. |
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<= Literaturliste Ozeanographie |
Stürzdebecher,
K. et. al.: Das punktierte Triangular als
Grundbaustein zeitbezogener Bildgebung der Kalksättigung
juveniler Nordseewässer. In: Geologie Jetzt. Band
13, 128 Jahrgang, Seite 16-23. |
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Stürzdebecher,
K.: Die Grenzen viereinhalbdimensionaler
Courier-Analysen am Beispiel retroversaler
Tiefenströmungen der Osterems. In: Statistik und
Ozeanographie, 3/98, S. 1024-1042. |
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Kaum dass
Stürzdebecher sein Debüt in der Welt der Wissenschaft
gemacht hatte, da meldeten sich auch schon Zweifler,
Neider und sonstige Kleingeister zu Wort. Als Mäzen
erkaufe er sich den guten Willen der "Scientific
Community" und als Geldgeber und Geldempfänger in
Personalunion müsse er sich den Vorwurf des erkauften
Ruhmes wohl gefallen lassen, so riefen nicht wenige
Kollegen seiner Zunft. |
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<= Stürzdebecher am Pranger |
Stürzdebecher
antwortete auf souveräne Weise indem er sich fortan auf
Veröffentlichungen in eindeutig nicht-wissenschaftlichen
Blättern beschränkte. |
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<= Souveräne Reaktion |
Es spricht
für die Zündfähigkeit der Ideen Stürzdebechers dass
dies seinem Zitations-Index keinerlei Abbruch tat. Im
Gegenteil. Artikel wie die folgenden wurden massenhaft in
renommierten Wissenschaftsjournalen zitiert: |
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<= Alternative zur Wissenschaft |
Dr. Klaus
Stürzdebecher: Die Ästhetik naturaler obertonaler
Wellenfrequenzen. In: Schönheit der Natur,
Sirzangel Verlagsgesellschaft
Bad Neuringen |
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<= unwissenschaftliche Publikationen |
K.
Stürzdebecher: Poesie als Naturgesetz? Eine neue
Sicht der Dinge. In: Der Wanderer. 13/10 |
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Klaus
Stürzdebecher, Dr.: Der Klang des Wassers. In:
Zeitgenössische Kunst im Wandel, Seite 78-93 |
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Stürzdebecher:
Die Seele der Wattensee. In: Der Nordmann, Band
237, Beilage |
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Stürzdebecher,
Dr. Klaus: Fremdes Leben unter uns. In:
SETI-logisches Monatsblatt, Dokkum |
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Zu dieser
Zeit begann eine ahnungsvolle Erregung, eine nervöse
Vorahnung die Scientific Community zu durchlaufen. Unter
dem Deckmantel verklärter Naturromantik hatte
Stürzdebecher thematisch scheinbar zusammenhangslose
Phänomene beschrieben. Er hatte aber in jedem Artikel
jeweils einen objektiven, empirisch validierbaren Befund
offengelegt der von keinerlei Wissenschaftsdsziplin
erklärt werden konnte. Es waren Phänomene die Laien
soviel interessierten wie die Oberflächentemperatur von
Alpha Centauri, Fachleute aber so sehr erregten wie es
die Beobachtung täte, dass der Wert der
Erdbeschleunigung g unwiderlegbar von den
Schulferienterminen Hessens beeinflusst wird. |
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<= Stürzdebechers Trick |
Stürzdebecher
beendete das aufkeimende Gemurmel und publizierte über
die Sirzangel Verlagsgesellschaft ein 1100 Seiten
umfassendes Werk: Das Wattenmeer als Zerebralstruktur
ozeanischer Intelligenz. |
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<= Die Katze kommt aus dem Sack |
Kurzum:
Stürzdebecher zeigte auf unanfechtbare Weise, dass die
irdischen Ozeane in ihrer Gesamtheit ein lebender
Organismus sind. Das Datenmaterial war erschlagend und
erschöpfend. Und er zeigte, dass im ostfriesischen
Wattenmeer eindeutig die strukturellen Grundelemente
neuronaler Informationsverarbeitung realisiert sind.
Kernstück seiner Beweisführung war das Ergebnis eines
genialen Aktes statistischer Intuition. Es kann hier nur
kurz angedeutet werden, worum es ging: |
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<= Der Beweis: der Ozean lebt |
Stürzdebecher
hatte über viele Jahrzehnte hinweg unter anderem die
folgenden Daten für den Bereich der südlichen Nordsee
erhoben: |
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<= Umfangreiche Datensammlung |
a)
Kalksättigungsgrade
b) Sedimentationsraten
c) 3D-Vektoren von Strömungen
d) örtliche magnetische Missweisung |
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<= Sondersame Beobachtungsgrößen |
Für
ausgewählte Regionen (Westerems bis Baltrum) und
begrenzte Zeiträume verfügte Stürzdebecher über
Datenmaterial in einer räumlichen Auflösung von 1000
m³ und einer zeitlichen Auflösung von einem Tag. |
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<= Detaillierungsgrad |
Er
addierte nun das arithmetische Mittel der
Kalksättigungen einer Wassersäule über einer 10 x 10
m² Grundfläche mit dem Skalarprodukt aller
Strömungsvektoren der 1000 m³-Blöcke in jener Säule.
Die Quersumme der ersten 9 Ziffern des Ergebnisses
multiplizierte er mit den ersten 3 Ziffern der örtlichen
Sedimentationsraten und dem imaginären Anteil der
komplex-elongierten Missweisung (als Matrize). |
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<= Statistische Zaubertricks |
Diese
Daten transponierte er in ein zweidimensionales
Farbmuster in Draufsicht und betrachtete es dann mit den
Methoden stereoskopischer Raumbildgebung. Stürzdebecher
erstellte auf diese Weise Bilder von verschiedenen
aufeinanderfolgenden Tagen und fasste die Bilder in
Animationen wie der folgenden zusammen: |
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<= Stereoskopische Bildgebung |
Ostfriesisches
Wattenmeer als neuronales Netzwerk
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<= Ostfriesland: 1:
Schiermonikoog
2: Borkum
3: Kacheloot
4: Juist
5: Norderney
6: Baltrum
7: Langeoog
8: Spiekeroog
9: Wangerooge
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Stürzdebechers
Werk kam just zu einem Zeitpunkt heraus als die
Esoterik-Industrie wieder einmal die Mystik neuronaler
Netze beschwor. Binnen kürzester Zeit führte
Stürzdebecher die Bestsellerlisten. Ein zweifelhafter
Ruhm. |
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<= Stürzdebecher als Erfolgsautor |
Hydrologen,
Geologen, Geographen, Geopsychologen, Chemiker,
Mathematiker, Mineralogen, Morphologen, Pseutologen und
viele mehr: alle versuchten vergeblich die Befunde
Stürzdebechers als fehlerhaft zu entlarven. |
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<= Befunde werden angezweifelt |
Doch der
Befund war eineindeutig: Gewisse quasi-stereoskopische
Visualisierungen gewisser statistisch-mathematischer
Aufbereitungen gewisser geologisch-ozeanographischer
Rohdaten zeigten klar die raum-zeitliche Struktur
organischer neuronaler Netze. |
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<= Befunde sind belastbar |
Es dauerte
nicht lange, da wurden Auraphotographien der
europäischen Küsten in Esoterik-Shops angeboten, da
trafen sich Spiritisten zu Weltseelen-Seancen im Watt von
Borkum bis Baltrum, da versuchten selbsternannte
Meeres-Philologen die Symbolsprache der verästelten
Priele zu entziffern. Tibetanische Mönche, indische
Gurus, kongolesische Medizinmänner und sibirische
Schamanen wurden an die ostfriesische Nordseeküste
eingeladen um dort den Kontakt zur Seele Gaias
aufzunehmen. Stürzdebecher unterstützte all diese
Aktivitäten mit Wohlwollen und Geld, verbat sich aber
jegliche Ansprüche auf ein Deutungsmonopol. |
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<= Estoterik-Tourismus in Ostfriesland Beispiel für Esoterik-Industrie
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Es liefen
nun Programme an zur seriösen Suche nach vergleichbaren
Phänomenen. Nach wenigen Jahren bereits war klar, dass
überall dort, wo Sedimentation und Abtragung in engem
Wechselspiel miteinander standen quasi-neuronale
Strukturen erkennbar waren. Man sprach von den
sogenannten Hjulström-Arealen. Besonders aktiv waren
Flussmündungen wie die des Mississippi, des Nils, Ganges
oder Amazonas. |
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<= Hjulström-Areale |
Stürzdebecher
realisierte ein Projekt zur Online-Visualisierung des
neuronalen Geschehens der Ozeane im Terranet. Obzwar die
neuronale Morphologie nur bei der Erfassung von
Tagesmittelwerten entspechender Kennwerte sichtbar wurde,
ergaben sich seltsamerweise jeweils ganz unterschiedliche
neuronale Erregungsmuster im Sekundentakt einer
rückwirkenden 24-Stunden-Berechnung. |
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<= Online-Visualisierung |
Virtuelle
Tapeten für private Wohnungen, Plasmawände in
Bahnhöfen und Kneipen, Infosäulen in Küstenmuseen und
Schulen zeigten immer öfter die pulsierende, glitzernde
Ästhetik der filamentartigen Zerebralstruktur der
Ozeane. |
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<= Popularität der ozeanischen Gehirne |
Inzwischen
war es einer Heerschar von Hydroneurologen,
Geolinguisten, Psychomineralogen und vergleichenden
Biomorphologen gelungen, phänomenologische Korrelationen
zwischen der Morpholoige und den neuronalen
Erregungsmustern ozeanischer und menschlicher Gehirne zu
entdecken. |
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<= Ozeanhirn ähnlich wie Menschhirn |
Durch
verfeinerte statistische und bildgebende Verfahren gelang
es, die ozeanischen Korrelate von Synapsen, Dendriten,
Axonen, Gliazellen, Markscheiden, prä- und
postsynaptischen Spalten und so weiter zu finden. |
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<= Bausteine neuronaler Intelligenz |
Neuron mit Synapsen
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<= Typisches, organisches Neuron |
Es gelang
sogar, so etwas ähnliches wie die horizontale Schichtung
des menschlichen Neokortex in einem Hjulström-Areal an
der bretonischen Kanalküste zu identifizieren. Und im
Mündungsgebiet der Themse zwischen Southend-on-Sea, der
Isle of Sheppey und Dartford fanden englische Forscher so
etwas wie die vertikalen "kortikalen Säulen"
der Großhirnrinde. |
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<= Die Säulen- und Lagenstruktur des Gehirns
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Dies
erregte die Aufmerksamkeit einiger unverbesserlicher
Neo-Ecclesianer aufs Äußerste. Diese Anhänger der
Theorien eines gewissen Sir John Eccles (20. Jahrhundert
nach kalendarischer Rechnung) verhalfen der dualistischen
Philosophie dieses neuseeländischen Neurologen zu neuer
Bekanntheit. Und sie sollten mit ihrer Fährte ganz
richtig liegen. Tatsächlich gab es in den synaptischen
Strukturen der Hjulström-Areale so etwas wie
"Boutons" in denen quantenphysikalische
Unbestimmtheiten karbonatbildender Ionen die
pseudoelektrische Leitfähigkeit der Synapsen
modifizierten. Diese ozeoanographischen Boutons waren in
ihrer räumlichen Lage und Ausdehnung - wie überhaupt
alle neuronalen Hjulström-Strukturen - äußerst
beständig. |
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<= Dualistische Weltsicht & Quantenphysik
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Diese
Erkenntnis war der lange ersehnte Durchbruch hin zur
Kontaktaufnahme mit der ozeanischen Intelligenz. Man
begann die ausgereiften Technologien des Brainnet
dazu zu nutzen, das Gehirn des Meeres mit menschlichen
Gehirnen zu koppeln. |
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<= Ziel erreicht: Kontakt |
Mit Hilfe
detaillierter Karten der litoralen Hirnstrukturen wurden
Unmengen schwebender Sensoren in den Gewässern der
Küstenregionen platziert. Abertausende mikroskopischer
Nano-Chemo-Rezeptoren trieben als siliziumbasiertes
Nanoplankton durchs Wasser. Man konnte durchaus von einem
intelligenten Schwarm kollektiven Planktons reden, denn
alle Nano-Rezeptoren tauschten Signale mit Hilfe von
Ultraschall untereinander aus. Die Positionen einzelner
Rezeptoren wurden metergenau mit Hilfe statistischer
Auswertungen von Signalstärken und Laufzeiten relativ zu
örtlich festen, bekannten Referenzstationen bestimmt. |
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<= Nanoplankton |
Dank des
nunmehr allgegenwärtigen (aber unsichtbaren) marinen
Rezeptorstaubes war jetzt der labile quantenphysikalische
Zustand der ozeanischen Synapsenboutons mit ausreichender
Genauigkeit bekannt. Der quasi-Quantenzustand der
Hjulström-Boutons konnte dann über spezielle
Treibsoftware als elektrisches Erregungsmuster via
Brainnet in menschliche Gehirne übertragen werden
(sogenannte Podolsky-Kopplung). |
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<= Podolsky-Kopplung |
Die
Signale aus dem Meer wurden in Echtzeit über das
Terranet übertragen. Statt nun über das Brainnet in
virtuelle Flugzeugschlachten, space-combats, esoterische
Klangwelten und marktwirtschaftliche Börsenspiele
einzusteigen koppelten unzählige Menschen ihr Gehirn an
Tethys an. Tethys war der Name, den man inzwischen dem
vermeintlichen Wasserwesen gegeben hatte. |
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<= Man nennt es Tethys |
Der Effekt
war erwartungsgemäß dramatisch. Menschen berichteten
von unbeschreiblichen Körpergefühlen, von Farbvisionen
und geometrischen Phantasien, von markerschütternden
Gotteserfahrungen und derlei mehr. Aus all dem ließ sich
aber wenig Substanz extrahieren. Wahrscheinlich, so der
Tenor vieler Philosophen, verstehen wir Tethys so gut wie
eine Speichelzelle das Neuronengeflimmer im Hirn eines
Geigers als Musik deuten könnte: also gar nicht. |
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<= Mensch zu klein für Tethys? |
In einem
Gemeinschaftsprojekt beschlossen Stürzdebecher und Prof.
Hans nun einen Dialog mit Tethys aufzunehmen. |
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<= Dialog möglich? |
Man wusste
inzwischen, dass die filamentartigen litoralen
Hirnstrukturen der Tethys so etwas wie ein- und
ausgehende Nervenstränge aufwiesen. Darüber erhielt
Tethys offenbar Kontakt mit ihrem Körper: die Ozeane der
Erde. Und über subtile Beeinflussungen kleiner Strudel,
Sandablagerungen, Temperaturen und Salzgehalte
kontrollierte Tethys diesen Körper. |
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<= Der Körper der Tethys |
Stürzdebecher
und Prof. Hans platzierten jetzt an den Stellen der
einlaufend-affektorischen pseudo-Nerven kleine Geräte
die den Kalksättigungsgrad oder die
Strömungsgeschwindigkeit des Wassers lokal beeinflussen
konnten. Darüber wurden Tethys Folgen eindeutig
nicht-zufälliger Signale sozusagen direkt in ihr Gehirn
gespielt. Man kodierte auf diese Weise die Ziffernfolge
von Pi, die ersten 1000 Primzahlen oder etwa die
mathematischen Gesetze von Phytagoras und Thales. Auch
spielte man auf diese Weise ganze geometrische Muster von
zig Kilometern Ausdehnung ins Wattenmeer. Der Erfolg
stellte sich ein, als man begann, digitale Signalfolgen
bei Kacheloot zeitgleich mit Raummodellen atlantischer
Strömungen (Maßstab: 1:32) in der Nähe von Borkum Riff
zu generieren. Tethys gelang es scheinbar, einen
Zusammenhang zu erkennen. |
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<= Tethys wird gerufen |
Nach
weiteren 8 Jahren verfügten die Menschheit und Tethys
über einen ausreichend großen Schatz an gemeinsamen
"Vokabeln", um sich über bestimmte Themen
"unterhalten" zu können. Spielte man etwa bei
Borkum Riff die Koordinaten einer Region bei Island ein,
so produzierte das Tethys-Hirn dazu in der Osterems ein
Abbild arktischer Strömungsmuster rund um Island als
Antwort. Schon gibt es tausende von Fragenkatalogen von
politischen, philosophischen, naturwissenschaftlichen und
psychlogischen Themen die physikalisch-chemisch im
Wattenmeer als Fragen an Tethys kodiert werden sollen. |
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<= Rudimentäre Gespräche |
Der Stand
der Dinge ist heute jener, dass man ernsthaft davon
ausgeht, dass Tethys für eine globale, personale
Intelligenz steht. Es mehren sich nun auch Hinweise
darauf, dass die Atmosphäre von etwa 1000 bis 2000
ähnlichen Luft-Wesen bewohnt sein könnte. Hier war es
die geschickte Kombination der Logarithmisierung der
Dampfsättigung und der Windgeschwindigkeiten sowie der
gemittelten räumlichen Ausrichtung von CO2-Molekülen
die als Grundlage einer stereoskopischen Visualierung der
neuronalen Struktur dienten. |
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<= Erde voll mit solchen Wesen? |
Große
Forschungssummen werden auf die Klärung der Frage
verwendet, ob nicht auch die Magmaströme der Moho-Zone,
die antarktischen Gletscher oder das Erdmagnetfeld eine
materielle Grundlage für neuronale Intelligenz bilden:
SITI statt SETI. |
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<= SITI geht weiter |
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Hier endet die Aufzeichnung
des Mediums. Wie eingangs erwähnt, werden große Zweifel
an der Authentizität der konkreten Schilderung wie
überhaupt der Echtheit der Wirkung des antarktischen
Staubes gehegt. Als Archivatoren der Erzählungen
enthalten wir uns eines Kommentares. |
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<= Ende der Aufzeichnung |
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