Stanislaw Lem: Prof. Decantors synthetische Seelen

= Oktober 2003 =

   

Titel: Sterntagebücher
Titel der polnischen Originalausgabe: Dzienniki Gwiazdowe
Autor: Stanislaw Lem
Erscheinungsjahr: um 1971
Kapitel: Aus den Erinnerungen Ijon Tichys, Abschnitt II

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Auf etwa 14 Seiten umreisst Stanislaw Lem, mit viel philosophischem Witz, die Absurdität der Vorstellung einer unsterblichen Seele.

   
Decantor, ein ordentlicher Professor der vergleichenden Ontogenetik, sucht eines Tages den illustren Weltraumfahrer und modernen Münchhausen, Ijon Tichy, auf, um diesen als Finanzgeber und Teilhaber einer Aktiengesellschaft mit einem ganz außerordentlich ungewöhnlichen Produkt zu gewinnen: unsterbliche Seelen.    
Decantor, dessen kategorisches und sachliches Auftreten nicht zum üblichen Bild eines Verrückten passen will, erzählt, wie er die Mythen, Religionen, Philosophien und Träume der Menschheit studiert hat und dadurch zu dem Ergebnis kam, dass die Menschheit nach nichts mehr als einer unsterblichen, unveränderlichen Seele trachte. Er, Prof. Decantor, könne diesen Wunsch zwar nicht nachvollziehen, habe aber dennoch die Lösung geschaffen: Die Seelen von Menschen können mit dem Ableben des körperlichen Individuums in einer kleinen Schachtel untergebracht werden.    
Ganz dem Wunsch der Menschen entsprechend, stellt die Seele den geistigen Zustand der Menschen im blühenden Erwachsenenalter dar. Für immer und unveränderlich. Die Seele steht mit der Außenwelt in keinerlei Kontakt. Sie kann nichts über sie wahrnehmen und auch nicht in ihr wirken. Denn, so Prof. Decantor, dann wäre sie ja nicht mehr unveränderlich. Und was wäre das schon für eine Aussicht, mit einer Welt zu kommunizieren, die in einigen Milliarden Jahren ohnehin den kosmischen Wärmetod sterben wird?   <= autistische Seele

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Tichy ist entsetzt über den Gedanken, dass man als eingefrorene Momentaufnahme ohne Kontakt mit der Aussenwelt ein ewigliches, körperloses Dasein fristen solle.    
Decantor kontert, dass er in keiner Religion und keiner Philosophie den Wunsch nach einem unsterblichen Körper gefunden habe. Der Körper würde in allen menschlichen Wunschvorstellungen als etwas lästiges, beschränkendes abgewertet, etwas, dessen man sich entledigen müsse.    
Lem flicht in diese Rahmensituation eine Fülle burlesker, philosophischer Kapriolen ein, die alle mit der Unvorstellbarkeit des Unendlichen spielen.   Kann ein ewigliches Leben einen Sinn ergeben?Der Zweck eines ewiglichen Seins ist nicht vorstellbar

Die Erzählung über Decantors synthetische Seelen ist bloß eine von vielen Kurzgeschichten in diesem Stil. Die Sterntagebücher umfassen fast 500 Seiten und wer Spaß an freundlich erzählten aber dennoch skurrilen und nachdenklich stimmenden Geschichten mit deutlich philosophischem Einschlag hat, dem können die Sterntagebücher nur wärmstens empfohlen werden.

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Letzte Änderung: 5. Oktober 2003