Die Mystik des Bewusstseins
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Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Goethe 
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Bewusstsein ist uns dermassen vertraut und
alltäglich, dass es schwerfällt, es zu beschreiben oder
zu definieren. Eine allgemeingültige Definition scheint
es nicht zu geben. Ich möchte zunächst einfach einige
Eigenschaften von Bewusstsein beschreiben, ohne den
Versuch einer definitorischen Eingrenzung zu unternehmen: |
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A poem by Maxwell |
- Bewusstsein ist die reine
Wahrnehmung von Dingen der Realität, ganz gleich
ob dies Gegenstände, eigene psychische
Erlebnisse oder die Handlungen anderer Menschen
sind.
- Bewusstsein ist das, was uns im
wachen Zustand oftmals begleitet aber im Schlaf
zu fehlen scheint. Eine Ausnahme sind zum Teil
sehr bewusst erlebte Träume.
- Bewusstsein ist das, was bei einem
Alkoholfilmriss manchmal verloren zu gehen
scheint.
- Bewusstsein ist das, was nach
einer tiefen traumlosen Schlafphase mit dem
Klingeln eines Weckers langsam wiederzukommen
scheint.
- Bewusstsein begleitet in der Regel
das Erlernen neuer Fähigkeiten. Jeder
Fahrschüler wird zunächst sehr bewusst die
Gangschaltung betätigen und sehr bewusst mit
Kupplung und Gas spielen. Später, als
routinierter Fahrer, wird er die Schaltungen
vollständig unbewusst vornehmen können.
- Schmerzen scheinen stets von
Bewusstsein begleitet zu werden. Einen
unbewussten Schmerz kann man sich wohl kaum
vorstellen.
- Auch plötzlich auftauchende
Bedrohungen unseres Lebens werden von Bewusstsein
gefolgt. Registrieren wir ein auf uns zurasendes
Auto, wird uns diese Erkenntnis sofort bewusst.
- Starke Emotionen fesseln oft
Bewusstsein. Nennt uns auf offener Strasse eine
wildfremde Person einen Blödkopp
wird uns dies sicherlich sehr schnell bewusst.
- Ungewohntes oder Unerwartetes wird
in der Regel unser Bewusstsein in Anspruch
nehmen. Geht jemand in einer Fussgängerzone im
Winter mit einer Badehose spazieren wird sich
unser Bewusstsein mit zwingender Wirkung dieser
Absonderlichkeit annehmen. Und obgleich in
unserem Gesichtsfeld noch hunderte von anderen
Personen umherlaufen, können uns diese
vollkommen unbewusst bleiben.
- Bewegungen in einem ansonsten
statischen Blickfeld erreichen in der Regel auch
unser Bewusstsein. Während ich dies an einem
Computer schrieb, nahm ich aus dem linken
Augenwinkel durch ein grosses
Wohnzimmerfenster heraus wahr, wie meine Tochter
auf einer Wiese vorbeihuschte, obwohl ich
ansonsten vollkommen vertieft in die Arbeit war.
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Tor Norretranders on the question of awareness Tor Norretranders on what consciousness is not
Tor Norretranders on holistic consciousness
Eccles über das Bewußtsein als
Abtastvorrichtung
Richard Feynman on consciousness as a potatoe
Intersuchtipps: die folgenden Personen
beschäftigten sich (unter anderem) mit dem Phänomen
"Bewusstsein":
- John Eccles (Neurophysiologie)
- Karl Popper (Philosoph)
- Libet
- Tor Norretranders
- Henry Stapp (Physiker)
- Roger Penrose (Mathematiker)
- William James (Psychologe)
Bewusstsein als emergentes Phänomen: eine
Visualisierung
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The basic idea of Gestalt psychology Popper über den Scan-Modus des Bewußtseins
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Bewusstsein scheint also unter anderem
Neuartiges, Schmerzliches, Bedrohliches,
Emotionsbehaftetes, Ungewöhnliches und Bewegtes zu
begleiten. In unserem Unterbewusstsein werden ständig
parallel zig Vorgänge bearbeitet die sicherlich ähnlich
komplex und wichtig sind wie das momentan bewusst
Erlebte. Wie aber wird entschieden, was von uns zu einem
bestimmten Zeitpunkt bewusst erlebt werden soll und was
im Unbewussten weiterverfolgt werden soll? Wer
entscheidet, ob zuerst ein ungewöhnliches Auto im
Verkehr bewusst wahrgenommen werden sollte oder eher ein
für uns sehr interessantes Stichwort aus dem leise
laufenden Autoradio? Ist es unser Ich das die
Entscheidung trifft oder bildet das Bewusstsein bloß
materielle Prozesse im Gehirn ab? |
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Tor Norretranders on the the bandwidth of
consciousness Tor Norretranders on consciousness as a
spotlight
Animation: Bewusstseinsinhalte enstprechen
bestimmten neuronalen Erregungsmustern
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Können wir Bewusstsein steuern? Machen wir dazu
zwei Gedankenexperimente: |
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Tor Norretranders on the passiveness of
consciousness |
Für den ersten Versuch stelle man sich das
Folgende vor: An jeder Tasse in unserem Haushalt wird man
sich in Zukunft bei Berührung einen kräftigen
Stromschlag holen. Kurz auf den Stromschlag wird zudem
noch eine Hand aus der Tasse fahren und uns eine
gehörige Ohrfeige verpassen. Dann verschwindet die Hand
wieder in die Tasse. Wenn wir Bewusstsein frei steuern
können, müsste es uns ohne weiteres gelingen, diese
sehr absurde und unzweckmässige Vorstellung vollständig
zu unterdrücken. Kein einziges mal wenn wir in unserem
Haushalt eine Tasse anfassen, sollten wir durch diese
Vorstellung belästigt werden. Gelingt uns das
tatsächlich? |
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Tor Norretranders on the impotence of
consciousness |
Der zweite Versuch zielt genau auf das Gegenteil
ab: Nicht etwas aus dem Bewusstsein zu verdrängen,
sondern etwas im Bewusstsein zu halten ist nun das Zielt.
Am besten legt man sich dazu gemütlich ins Bett oder
setzt sich auf seinen Lieblingssessel und schliesst die
Augen. Stellen wir uns dann eine Situation vom ersten Tag
unseres letzten Urlaubes vor. Eine solche Vorstellung
könnte zum Beispiel das Schleppen schwerer Koffer auf
einem Flughafen oder ein Stau auf der Autobahn sein. Ist
es uns möglich, diese Vorstellung für eine halbe Stunde
im Bewusstsein zu halten? Oder wird es irgendwelchen
Gedanken und Bildern gelingen, uns
abzulenken. Falls dem so ist, sollte man sich
gleich die Frage stellen, woher diese Gedanken und Bilder
kommen und warum und nach welchen Kriterien gerade diese
ins Bewusstsein eindringen konnten. |
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Man sollte hier mit dem Lesen einen Moment
innehalten und die beschriebenen Eigenschaften von
Bewusstsein revue passieren lassen und gegebenenfalls um
eigene Erfahrungen ergänzen. Alsdann sollte man
versuchen in wenigen Worten zusammenzufassen was
Bewusstsein ist beziehungsweise woran es geknüpft zu
sein scheint. Dabei ist jede Aufzählung zuvermeiden.
Abschliessend könnte man seine Antworten durch
weiterführende Fragen testen wie zum Beispiel: |
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- Hilft die Antwort festzulegen
welche Lebewesen Bewusstsein haben und welche
nicht? Man denke dabei nicht nur an Affen und
Hunde, sondern an die ganze Linie hinrunter bis
zu Bakterien.
- Hilft die Antwort dabei,
festzulegen, ob das Bewusstsein eine bloße Folge
vorher abgelaufener Hirnprozesse ist oder aber ob
das Bewusstsein zuers da ist und dann darauf hin
Hirnprozesse ablaufen? Was also ist Ursache und
Wirkung in dem Begriffspaar Bewusstein und
Hirnaktivität?
- Hilft die Antwort dabei
festzulegen ob Computer, zum Beispiel in Form von
neuronalen Netzen, einmal Bewusstsein erlangen
könnten?
- Hilft die Antwort dabei
festzulegen wann, warum und wie sich nach unserer
Zeugung als Einzelmensch das Bewusstsein in uns
eingeklinkt hat?
- Hilft die Antwort dabei
festzulegen, nach welcher Methode -von Sekunde zu
Sekunde- genau geregelt wird, was in unser
Bewusstsein gelangt?
- Ist uns das Bewusstsein in
irgendeiner Form behilflich in der Bewältigung
unseres Alltages oder könnten wir nicht auch
ganz ohne Bewusstsein, gleichsam als Roboter,
funktionieren?
- Hat das Bewusstsein eine steuernde
Funktion? Wenn ja, wer steuert was?
- Bildet Bewusstsein nur Dinge in
unserem Gehirn ab, die ohnehin auch von alleine
so ablaufen wüden? Wäre mit anderen Worten das
Bewusstsein also wirkungslos auf die materielle
Welt?
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Henry Stapp on the superfluity of consciousnessLibet will gezeigt haben, dass
Bewusstsein eine direkte Folge - und nicht Ursache - von
neuronalen Erregungsmustern ist. Norretranders
beschreibt dazu ausführlich entsprechend Experimente.
Namen im Zusammenhang mit "Neurotheologie"
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These: Bewusstsein taucht dort auf, wo ein
jenseitiger Beobachter und Manipulator viel sinnvolle
Information für seine Zwecke erhofft. |
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Je mehr man sich mit diesem Thema beschäftigt,
desto mysteriöser kann es einem erscheinen. Persönlich
stehe ich auf dem Standpunkt, dass unsere Welt auch ohne
Bewusstsein so funktionieren würde wie sie es tut. Sie
würde sich äusserlich nicht oder kaum unterscheiden.
Bewusstsein ist für mich der Ausdruck eines jenseitigen
Beobachters, der ständig quasi on-line entscheidet was
ihn an uns interessiert und darauf seine Aufmerksamkeit
lenkt. Seine Aufmerksamtkeit ist das was wir als
Bewusstsein empfinden. Er hat die Möglichkeit unser Tun
geringfügig zu beeinflussen und betrachtet jeweils das,
was aus seiner Warte am wichtigsten bezüglich seiner
Einflussnahme ist. Wahrscheinlich hat der jenseitige
Wille grob und vorab definiert an welche Prozesse oder
Konstellationen von Materie im Diesseits das Bewusstsein
quasi automatisch angeheftet werden soll.
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Oben: jenseitige Ideen Unten: diesseitig materielle Zustände
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Meister Eckehart über den Seelengrund:
eine mystische Deutung von Bewusstsein Aldous Huxley über mystisch
interpretierte Drogenerfahrungen
Das kollektive
Bewusstsein von Unternehmen
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Die vom Bewusstsein dann eingefangene
Information wird dem jenseitigen Willen dann ebenfalls
automatisch zugespielt. Wahrscheinlich ist das
Bewusstsein in uns Menschen an Dinge geknüpft, die für
die Verbreitung von unseren Genen wichtig sind, also an
Dinge, die über evolutive Prozesse herausselektiert
worden sind. Wahrscheinlich sind es gerade diese Dinge,
die dem jenseitigen Willen besonders viel über das
Diesseits verraten (siehe dazu auch das Kapitel zur Aussagekraft
und dem Auge des Bewusstseins). |
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Scannt das Bewusstsein interessante
Strukturen im Kosmos ab?
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Ist die Welt eine Computersimulation
und das Bewusstein eine Art Berichtswesen für die
optimale Steuerung des Weltprozesses (universe.exe)? |
Abschliessen möchte ich dieses Kapitel mit einem Sinnbild:
Man stelle sich eine turbulente Schlacht im zweiten
Weltkrieg vor. Panzerverbände werden gegeneinander
eingesetzt, Flugzeuge sollen die Bodentruppen
unterstützen, die Marine soll Küstenabschnitte
kontrollieren um eine mögliche Evakuierung von Truppen
entweder zu ermöglichen oder zu vereiteln. Infanterie
soll den Panzerverbänden folgen. Die Schlacht dauert
mehrere Tage, umfasst einige 100.000 Personen und
erstreckt sich über Entfernungen von mehreren hundert
Kilometern. Ein General wurde nun mit der Führung
mehrerer Divisionen beauftragt und muss inmitten des
Schlachtengetümmels von Sekunde zu Sekunde zum Wohle des
Ganzen entscheiden. Entweder Eroberungen vorantreiben
oder einen möglichst günstigen Rückzug umsetzen ist
die Devise. Die Lage ist unübersichtlich. Man weiss
nichts genaues über die Pläne verbündeter
ausländischer Verbände, man weiss nicht genau in
welcher Stärke der Feind operiert. Man weiss noch nicht
einmal auf 100 Kilometer genau wo der Feind steht. Man
hat keine verlässlichen Wettervorhersagen zur Planung
von Operationen an der Küste und in der Luft. Trotzdem
müssen ständig Entscheidungen gefällt werden. Der
General ist dazu von einem Stab von Beratern umgeben und
steht ständig mit den ausführenden Offizieren in
Kontakt. Um die Schlacht möglichst günstig zu lenken,
müssen seine Entscheidungen auf der richtigen
Information beruhen. Und um diese zu bekommen, muss er
seine Aufmerksamkeit sehr gezielt auf die wenigen
relevanten der vielen möglichen Informationsquellen
richten. Leitet er beispielsweise eine zeitlich eng
begrenzte Besprechung, muss er entscheiden ob ein gerade
von der Front eingetroffener Offizier etwas über die
aktuelle Lage in seinem Abschnitt erzählen soll, oder ob
alternativ ein Stabsoffizier Erkenntnisse über die
Nachschublogistik darlegen sollte. Ähnliche
Entscheidungen wird er ständig in Abhängigkeit seiner
momentanen Zielsetzungen zu treffen haben. Um sich etwas
zu entlasten hat der General vielleicht einige Abläufe
automatisiert. Vielleicht werden ihm zu bestimmten Zeiten
bestimmte Berechnungen oder Berichte vorgelegt und bei
bestimmten Ereignissen erstatten ihm automatisch
bestimmte Offiziere Bericht. Eine genauso
charakterisierte Situation wird in dem Tagebau eines
englischen Offiziers beschrieben, nämlich die Invasion Belgiens und Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht sowie die
Evakuierung von Dünkirchen 1940. |
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Animation zu einer Analogie: Abeilungsleiter
verrichtet Wissensarbeit (knowledgework): auch
dort ist es wichtig, aus verteilten Daten
aussagekräftige Informationen zu generieren. |
So glaube ich funktioniert unser Bewusstsein.
Ein General aus dem Jenseits versucht uns ähnlich zu
steuern wie eine Armee. Was wir als Bewusstsein empfinden
sind die Berichte aus dem Diesseits die ihn im Jenseits
erreichen. |
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Abschliessen möchte ich diese Überlegung mit
einem Zitat aus einem Buch mit dem Untertitel "Die
Debatte um Künstliche Intelligenz, Bewusstsein und die
Gesetze der Physik" des
Physikers Roger Penrose: |
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"Es wäre aber auch denkbar,
dass es für das Phänomen des Bewusstseins einen
göttlichen oder mysteriösen Zweck gibt -
möglicherweise eine teleologische (Teleologie =
Lehre dass die Entwicklung von vornherein
zweckmässig und zielgerichtet angelegt sei)
Begründung, die sich uns noch nicht enthüllt hat -
und dass jeder Versuch, dieses Phänomen bloss in den
Begriffen der natürlichen Selektion zu diskutieren,
diesen 'Zweck` vollkommen verfehlen muss."
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Literatur zur Mystik des Bewusstseins
Goller, H.: Geist ist mehr als
Gehirn - Das Rätsel des bewussten Erlebens in
materialistischer und funktionalistischer Deutung.
In: Stimmen der Zeit 219, Dezember 2001, Heft 12
(Jesuitisches Magazin).
Chalmers, D.: Das Rätsel des
bewußten Erlebens. In: Spektrum der Wissenschaft,
Februar 1996
Horgan, J.: Ist das Bewußtsein
erklärbar? In: Spektrum der Wissenschaft, September
1994
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Allgemeine Literatur zum
Phänomen des Bewusstseins |
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